aspekteSALZBURG: I remember a bird – œnm . œsterreichisches ensemble fuer neue musik

7. März 2021 17:00 - 18:15 ONLINE

Zum kostenfreien Online-Stream

Programm

Klaus Ager, Quartett „Die Sommernacht“ für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier  (UA)
Anton Webern, Quartett op. 22 für Violine, Klarinette, Saxophon und Klavier
Andor Losonczy, Il grande Inquisitore für Flöte, Violine und Klavier
Klaus Ager, Breccia op. 80.1 für Flöte, Violine und Klavier
Boguslaw Schaeffer, Quartett für Saxophon, Flöte, Bassklarinette und Klavier
Jakob Gruchmann, “Traumisolation” für Klarinette, Schlagwerk, Violine und Violoncello  (UA)*
Klaus Ager, I remember a bird op. 16 für Klarinette, Posaune, Gitarre, Schlagzeug, Klavier sowie Live-Elektronik und Tonband

*gefördert durch SKE   


Mitwirkende

œnm . œsterreichisches ensemble fuer neue musik

Vera Klug, Flöte
Andreas Schablas, Klarinette
Dušan Kranjc, Posaune
Arabella Hirner, Schlagwerk
Manuel de Roo, Gitarre
Nora Skuta, Klavier
Michael Krenn, Saxophon
Michaela Girardi, Violine
Valerie Fritz, Violoncello


Klaus Ager über sein neuestes Werk, das Quartett Die Sommernacht: „Es ist einerseits inspiriert vom gleichnamigen Gedicht Friedrich Gottlieb Klopstocks (1724–1803), das mich schon in meiner Studienzeit beschäftigte und das ich auch als Klavierlied für Sopran und Klavier 1969 vertont hatte, und andererseits durch die Besetzung, die natürlich an das berühmte Quatuor pour la fin du temps von Olivier Messiaen erinnert. So findet man in meinem Quartett Zitate aus dem Lied von 1969 sowie auch Anklänge an das „Quatuor“, besonders in den hier sehr kurzen Solostellen des Violoncellos, der Klarinette und der Violine. Es ergab sich automatisch ein Stil, der die melodisch-harmonische Komponente des Satzes mehr betont – ohne jedoch historisierend sein zu wollen. Während die Klanglichkeit des Werksmelodiös und harmonisch ist, findet die musikalisch-kompositorische Auseinandersetzung besonders im Formalen statt, was wiederum mehr vom Text beeinflusst ist.“ Klopstocks Gedicht: „Wenn der Schimmer von dem Monde nun herab / In die Wälder sich ergießt, und Gerüche / Mit den Düften von der Linde / In den Kühlungen wehn: / Dann umschatten mich Gedanken an das Grab / Der Geliebten, und ich seh in dem Walde / Nur es dämmern, und es weht mir / Von der Blüte nicht her. / Ich genoss einst, o ihr Toten, es mit euch! / Wie umwehten uns der Duft und die Kühlung. / Wie verschönt warst von dem Monde / Du o schöne Natur!“

„Nun aber ist die Zeit für mein neues opus gekommen“, so Anton Webern an den Freund und Bildhauer Josef Humplik am 4. März 1929. Am 19. August 1930 berichtet er aus der Sommerfrische im Dachsteingebiet: „… ich war fleißig und habe wieder einen Satz meiner neuen Arbeit vollendet. (…) Jedenfalls sage ich mir täglich, es ist ja noch Sommer! Sommer!“ Wie weit Natureindrücke in der Musik des begeisterten Bergwanderers Webern eine Rolle spielen, sei der Phantasie der Hörer überlassen. Die Rede ist da jedenfalls vom apart besetzten Quartett op. 22, das im Jahr darauf in Wien erstmals erklungen ist. Die Idee der „Klangfarbenmelodie“ des Lehrers Arnold Schönberg scheint hier perfekt verwirklicht zu sein, die einzelnen Tongruppen sind auf die verschiedenen Instrumente verteilt. Dennoch ergeben sich durchgehende Themen, die in der Webern-typischen größten Kunst und Kürze verarbeitet werden.

Der Komponist Andor Losonczy, gebürtiger Ungar und ein begnadeter Pianist, hatte jahrzehntelang den Lebensmittelpunkt in Salzburg. 2005 erhielt er den Großen Kunstpreis des Landes. Er war einer der großen Stillen im Lande. Dabei hat er unter anderem in seiner Heimat den Franz-Liszt-Preis und 1960 in Deutschland den Kranichsteiner Musikpreis erhalten, war ab 1960 Dozent am Mozarteum und von 1986 bis 1998 eben- dort Professor. Sein Oeuvre vom Solo- bis zum Orchesterstück verbindet Expressivität mit Klangsinn und harrt zum Großteil noch der Aufarbeitung. Losonczys Vorbilder waren „einfach alle Großen der Vergangenheit“. Das Stück Il grande Inquistore für Flöte, Violine und Klavier wurde 2003 bei den Aspekten uraufgeführt. Wie der Titel verrät, hat es etwas mit der Legende vom „Großinquisitor“ aus dem Roman Die Brüder Karamasow von Dostojewski zu tun. Oder doch oder auch etwas mit dem „grande inquisitore“ aus Verdis Oper Don Carlos?

Klaus Ager schreibt über BRECCIA: „Das 2003 in Rom uraufgeführte Stück entstand im Rahmen eines internationalen Projekts, für das Aufträge an 24 Komponisten aus aller Welt vergeben wurden. Der Auftrag lautete, ein Stück, nicht länger als 5 Minuten, für 3 Instrumente zu schreiben, das auf ein Bild des römischen Malers Pier Augusto Breccia (1943-2017) Bezug nehmen sollte. Ich schrieb das Stück in zwei Versionen: eine Kurzversion – ca. 3 Minuten für das Projekt, Bezug nehmend auf das Bild: „spazi communicanti“ – und eine etwas längere Version, die Material aus der Kurzfassung aufnimmt, damit spielt und dadurch den direkten Zusammenhang mit dem ausgewählten Bild Breccias verliert, ohne aber den Einfluss der Beschäftigung mit dem bildnerischen Werk ganz vergessen lassen zu können oder auch nur zu wollen. So ist ein Werk entstanden, das in vielen Bereichen einen deutlichen Gegensatz zu den klaren Konturen und Figuren des Werks Breccias bildet, in manchen Bereichen aber durchaus von der Gestaltung der Bilder ausgeht.“

Bogusław Schaeffer, Pole aus Lemberg mit altösterreichischen Wurzeln, war gleichermaßen in Krakau wie in Salzburg, wo er von 1989 bis 2002 am Mozarteum Komposition unterrichtete, zuhause. Und im späten 20. Jahrhundert ein international erfolgreicher Komponist, dessen vielgestaltiges Oeuvre von einem tonalen Stabat Mater bis zu einem Jazz Concerto und zu großen symphonischen Werken, von hoch experimentellen Instrumentalkonzerten bis zu diffiziler Kammermusik reicht. Schaeffer war auch Musiktheoretiker, Schriftsteller, vor allem Schöpfer von mehr als 30 Theaterstücken, und Grafiker. Man könnte ihn als einen der letzten „Universalgelehrten“ im klassischen Sinn bezeichnen. Mehr als 400 Kompositionen hat er geschaffen, unermüdlich bis zum Ende seines Lebens. In den letzten Jahren konzentrierte er sich auf oft grafisch notierte Ensemblestücke, die der Aleatorik breiten Raum lassen. Dazu zählt das diesmal aufgeführte Quartett für eine außerordentliche Besetzung, wie er es besonders liebte.

Jakob Gruchmann, der junge, schon bald zwei Jahrzehnte erfolgreiche Komponist aus Salzburg, zu Traumisolation, einem Auftragswerk der aspekteSalzburg: „Im Zentrum meiner neuen Komposition steht das Phänomen des von der realen Welt isolierten Traumes, der immer wieder eine Quelle für Inspirationen und eine Initialzündung für Erweiterungen meines Kreativitätshorizontes ist. Er führt mich oft in neue oder bisher unentdeckte Regionen des inneren Hörens. Auch wenn beim Erwachen aus der Traumwelt meistens nicht mehr als nur manche fragmentarische Fetzen vom Gedächtnis festgehalten werden können, bleibt zumindest ein Zustand der Inspiration übrig, der mich einlädt, sofort die konkrete kompositorische Arbeit aufzunehmen. Mein Stück ‚Traumisolation’ beschäftigt sich aber auch ganz konkret mit dem Versuch der gegenseitigen Isolation verschiedener Schichten der Musik sowie des Isolierens unterschiedlicher Aspekte der Instrumente voneinander. Es ist dem Komponisten Herbert Grassl, Pionier der Neuen Musik in Salzburg, gewidmet, dessen Werke mein erster Berührungspunkt mit zeitgenössischer Musik in meiner Kindheit waren.“

I remember a bird, erzählt Klaus Ager, „entstand 1976 für das kurz davor gegründete Österreichische Ensemble für Neue Musik und wurde von diesem auch bei einem Konzert in Innsbruck uraufgeführt. Die Besetzung entspricht der Gründungsformation des Ensembles, es spielten Ferenc Tornai (Klarinette), Genro Hara (Posaune), Wolfgang Guttmann (Gitarre), Hermann Urabl (Schlagzeug) und Laura Spitzer (Klavier). Die Tonbandeinspielung und Leitung der Aufführung lag in der Hand des Komponisten. Die Grundidee des Stücks ist ähnlich der bereits bei HOSHI für Bläserquintett erprobten 3-Lagigkeit: dem Live Klang der Instrumente steht einerseits die elektronische (live)-Verhallung des Klangs gegenüber, und andererseits (voraufgenommen und im elektronischen Studio des Mozarteums bearbeitet) der verzerrte Instrumentalklang vom Tonband. So ist sozusagen das Werk in drei verschiedenen Ebenen hörbar. Der Titel ist ein Zitat aus einem Drama von Tennessee Williams: Orpheus descending (Orpheus steigt herab). In den Programmnotizen, die auf der LP im Jahr 1978 erschienen sind, stand das Zitat zur Gänze: ‚I remember a bird flown out of the moss and its wings made a shadow, an then it sung a single, high clear note …’, und darüber hinaus noch folgender Text: I remember a bird ist der erste Teil eines großen, abendfüllenden Werkes: le combat avec l’ange. Ein erster Teil, der anfängt, eine urtümlich wilde, eigenartige Szenerie zu enthüllen. Eine Szenerie, wo die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Surrealität und Realität nicht mehr existent ist. Das Projekt le combat avec l’ange wurde in der Folge nicht verwirklicht.“

Das œnm . œsterreichisches ensemble fuer neue musik zählt zu den traditionsreichsten europäischen Ensembles für die Interpretation der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Aus einer glücklichen Konstellation – dem Zusammentreffen von aktiv musizierenden Komponisten und an aktueller Musik interessierten Instrumentalisten – formierte sich 1975 in Salzburg rund um Klaus Ager und Ferenc Tornai eine kleine Gruppe, die sich im Laufe der Jahre und nach mehreren hundert Uraufführungen zu einem Solistenensemble mittlerer Größe gewandelt hat. Was zunächst dem persönlichen Wunsch der Gründer entsprach, wurde tatsächlich Programm, ebenso beständig wie wandelbar: die Erarbeitung, Aufführung und Vermittlung aktueller Musik insbesondere in Stadt und Land Salzburg, aber auch auf internationalen Podien. Seit 1997 steht für das œnm die Zusammenarbeit mit Johannes Kalitzke als Erstem Gastdirigenten künstlerisch im Vordergrund.